Dies ist der dritte Teil meines Beitrags Das ungemein geheime Leben der Queen.
Heute: Play it again.
Erfreuen Sie sich an Ihrer Playlist mit den sieben lebenswichtigen Songs von Aretha Franklin, der Queen of Soul, ohne die Sie auf keinen Fall glücklich bleiben können- und werden schon gar nicht.
Dazu eine Vorbemerkung: Wer sich für diese Musik interessiert, was für Menschen mit Geschmack unausweichlich ist, hört sie ausschließlich im Original.
Warum? Weil gilt, und das für immer und ewig bis ans Ende aller Zeit, dass, wer Aretha Franklin nachsingt, mit tödlicher Verachtung nicht unter lebenslänglich bestraft wird.
Und für jene Verwirrten, die Aretha gar ins Deutsche übersetzen und nachsingen, und die gibt es, arbeite ich gerade noch am angemessenen Strafmaß.
Übrigens existiert ein biografischer Spielfilm über Aretha Franklin mit Jennifer Hudson in der Hauptrolle. Jennifer Hudson ist eine erlesene Sängerin, aber keine Aretha. Erwarten Sie bitte nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Coverversionen zum Zwecke der Geldvermehrung. Kommen wir zum Original.
Glücklich 1
(You Make Me Feel Like) A Natural Woman in der Live-Version von 2015 anlässlich der Preisvergabe der Kennedy Center Honors, Text: Gerry Goffin, Musik: Carole King
Bei dieser Ehrung handelt es sich um eine jährliche Würdigung exzellenter Leistungen nationaler und internationaler Darstellender Künstler.
Die Preisträger bekommen im Rahmen der Veranstaltung ein potthässliches Band um den Hals gelegt, das aussieht wie die LGBTQ-Henkel eines Achtzigerjahrerucksacks, aber die After Show Partys sollen toll sein.
Aretha Franklin wird bereits im Jahr 1974 ausgezeichnet. 2015 ist sie aus einem anderen Grund vor Ort.
Die Geehrten diesen Abends sind Cecily Tyson, eine der großen amerikanischen Schauspielerinnen, die sogar sieben Jahre Ehe mit Miles Davis überlebt hat, Rita Moreno, die für ihre Rolle im Film West Side Story als erste Latina der Filmgeschichte mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, George Lucas, der Regisseur von Star Wars und Indiana Jones, und der mandschurische Dirigent Seiji Ozawa, ein umtriebiger Künstler, der, trotz ausgesprochen eigenwilliger Persönlichkeit, mit einigen Dutzend Ehrungen und internationalem Ansehen beträufelt ist.
Die für uns maßgebliche Künstlerin allerdings ist Carole King.
Carole King und ihr Mann Gerry Goffin gehören in den sechziger Jahren zu den bedeutendsten Songschreibern der U.S.A. Sie komponiert, er textet.
Aus ihrer Feder stammt Natural Woman, eine Auftragsarbeit für Aretha von 1967, und wir werden an diesem Abend Zeugen eines denkwürdigen Auftritts der Königinmutter des Soul.
Madame schwebt in bodenlanger Robe mit Schleppe auf die Bühne, den sandfarbenen Nerzkadavermantel, den sie trägt, kommentiere ich jetzt mal nicht, geht an den Flügel, legt ihr Glitzerhandtäschchen darauf ab und setzt sich.
Da die Preisträger im Vorwege nicht erfahren, durch wen und in welcher Form sie im Showteil geehrt werden, ist die Überraschung offensichtlich. Carole King bekommt den Mund nicht mehr zu. Barack Obama heult, vermutlich ausnahmsweise nicht über seinen Job.
Nach zwei Minuten erhebt sich Aretha Franklin und entledigt sich ihres Mantels, um stehend weiterzusingen. Das Publikum folgt ihr wie auf Befehl.
Viele drehen sich nach den Obamas um, die erhöht auf einem Balkon untergebracht sind, und auch sie hat es längst aus den Klappsitzen katapultiert.
Aretha schwingt sich stimmlich zu einem außerordentlichen Finale. Bei der mittlerweile Dreiundsiebzigjährigen sitzt jeder einzelne unfassbare Ton perfekt.
Dann breitet sie gnädig die säulenstarken Arme aus, um die endgültigen Huldigungen der Massen entgegenzunehmen.
George Lucas ist sichtlich ergriffen, Cecily Tyson biegt es vor Begeisterung in Richtung Balustrade und Seiji Ozawa muss sich kurz die Nase abwischen.
Zwei Anekdoten am Rande: Der bekannte Talkshowhost und Präsentator des Abends, Stephen Colbert, steht schon vor Arethas Auftritt wartend in den Kulissen, um die Moderation nach Natural Woman zu absolvieren.
„Wie traurig“, sagt er zu jemandem, der neben ihm steht, „dass ich Aretha nie gesehen habe, als sie noch voll bei Stimme war.“ Ein grandioser Irrtum, für den sich Colbert noch heute zutiefst schämt.
Und dann natürlich das legendäre Täschchen: Mal mit Pailletten, mal mit Henkel in dunkel, mal auf dem Flügel oder gleich neben der Klavierbank auf dem Fußboden.
Miss Franklin war eine lebenserfahrene, gebildete und gewitzte Künstlerin.
Miss Franklin ließ sich stets vertraglich zusichern, die fällige Abendgage vor ihrem Auftritt in bar überreicht zu bekommen. Und um danach kein leeres Täschchen in der Garderobe vorfinden zu müssen, kam dieses stets mit auf die Bühne.
War die Gage nicht rechtzeitig vorhanden, pflegte Miss Franklin unverrichteter Dinge abzureisen. So etwas mögen viele Leute nicht. Dann ist man plötzlich eine Diva. Man sollte seine Gegner besser kennen als sich selbst.
Glücklich 2
Respect aus dem Album I Never Loved A Man The Way I Love You, Atlantic Records, 1967, Text: Otis Redding, ein bisschen Aretha Franklin, Musik: Otis Redding
Einer der genialsten Textdreher der Musikgeschichte!
Respect stammt aus der Feder von Otis Redding, dem nicht unbedingt besten, aber ergreifendsten und beseeltesten Sänger diesseits und jenseits aller Milchstraßen. Otis Redding ist wie Body Lotion von innen.
In der Otisversion bringt der Mann das Geld nach Hause und verlangt als Gegenleistung der Frau Respekt.
In der Arethaversion verlangt die Frau Respekt dafür, dass sie weiß, was der Mann braucht und sie ihm ihr Geld überlässt. Treffer, versenkt.
Dies sollte allerdings nicht der einzige Zweck bleiben, dem dieser Titel gewidmet sein würde. Respect wurde der größte internationale Selbstbewusstseinsförderungsundforderungssong aller Zeiten. Und er wird es bleiben. Selbst dann, wenn man gerade mal dazu in der Lage ist, zwei Bretter zusammenzunageln.
Glücklich 3
Dr. Feelgood vom Album Aretha live at Fillmore West, Atlantic Records, 1971, Text und Musik: Aretha Franklin
Die Situation erklärt sich von selbst: Sie sitzen mit dem Subjekt Ihrer ziemlich bebenden Begierde im Wohnzimmer und haben Besuch. Der Besuch ist hartnäckig und will nicht gehen. Sie aber wollen Sex mit dem Subjekt ihrer ziemlich bebenden Begierde und beten, dass die Erdnusslocken bald alle sind.
Nicht schön.
Aber wunderbar dargeboten von Miss Franklin unter zuträglicher Eigenbegleitung auf dem elektrischen Piano.
Glücklich 4
Amazing Grace vom gleichnamigen Live- Album Aretha Franklin mit James Cleveland und dem Southern California Gospel Choir, Live in der Temple Missionary Baptist Church, Atlantic Records, 1972, Text und Musik: John Newton
Amazing Grace ist ein englisches Kirchenlied aus dem 18. Jahrhundert, existiert in Milliarden von Versionen, darunter leider auch von hiesigen, so genannten, Gospelchören, denen im Schnitt das Temperament von Griechischen Landschildkröten innewohnt.
Allerdings entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet ein Lied, das ein Sklavenhändler verfasst, nachdem er eine kritische Situation auf hoher See überlebt, zu einer der großen Hymnen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts wird, über die wir in Teil zwei einiges erfahren haben.
Die U.S.A. befanden sich von 1955 bis -77 in einem Stellvertreterkrieg in Vietnam. Stellvertreterkriege sind jene, die die Großmächte nicht auf eigenem Grund und Boden, sondern in Drittländern austragen. Krieg macht ja immer jede Menge Dreck. Den möchte man zu Hause nicht haben. Hier bekämpften sich Ost und West, die Sowjetunion und China gegen die U.S.A. und das unter latenter atomarer Bedrohung.
Die Welt war damals so krank wie sie es heute immer noch ist, und jeder, der seine fünf Sinne beisammenhatte, war gegen diesen Krieg. Die Proteste waren zahlreich und Lieder wie Amazing Grace galten als lebenserhaltend.
Sollte Ihnen für die Gegenwart etwas ähnlich Heilsames einfallen, treten Sie bitte sofort ins Freie und singen so geräuschvoll es nur geht. Danke.
Bittere Pille am Rande: Aretha Franklins Konzert wurde für einen Kinofilm mitgeschnitten und lag aus diversen technischen und geschäftlichen Gründen jahrelang in irgendwelchen Kellern herum. Als dann das endlich fertiggestellte Werk öffentlich gezeigt werden sollte, zunächst im Jahr 2011, dann -15 und -16, klagte Aretha Franklin gegen die nicht autorisierte Nutzung ihres Bildes und der künstlerischen Leistung.
Das klingt, als hätte man tatsächlich rein zufällig vergessen, sie vorab zu fragen, und so etwas tut man bei Damen mit Täschchen nie ungestraft.
Aber, weil die Wünsche Lebender gern einmal ignoriert werden, sobald sie tot sind, kommt der Film einige Wochen nach Aretha Franklins Ableben mit Einwilligung ihrer Nichte, der Nachlassverwalterin, in die Kinos. Legal? Weiß ich nicht. Legitim? Nein.
Wenigstens uns sei der Wunsch der Künstlerin Befehl.
Erleben Sie die elf Minuten zutiefst empfundener Religiosität als Ohrenkino. Das gilt, nebenbei bemerkt, auch für Atheisten ohne jegliche Einschränkung.
Ach ja, bevor ich es vergesse: Mick Jagger von den Rolling Stones ist auch im Publikum. Er sitzt dort, wo er hingehört: In einer der Kirchenbänke ganz weit hinten. Unsichtbar.
Glücklich 5
I never loved a man the way I love you vom gleichnamigen Album, Atlantic Records, 1967, Text und Musik: Ronnie Shannon
Mein Aretha-Initiationssong von der Klassenfahrt 1968, genau, wie in Teil 1 beschrieben.
Wir brauchen nicht lange zu reden, liebe Leserinnen und Hörer: Es geht um jene Männer, die nicht mehr beherrschen als ein einziges Kunststück.
Und damit kommen die locker durchs Leben.
Problem: Die Faszination für solche Idioten hält wie Sekundenkleber, tut beim Ablösen wahnsinnig weh, und danach hängt die Haut in Fetzen.
Glücklich 6
Think, die Version aus dem Film The Blues Brothers, Original Soundtrack, Atlantic Records, 1980, Text und Musik: Aretha Franklin und Ted White
Think wurde ursprünglich im Jahr 1968, nur wenige Tage nach der Ermordung Dr. Martin Luther Kings, veröffentlicht, bitte lesen Sie dazu Teil 2, und aufgrund des wiederkehrenden Begriffs Freiheit im Text oft damit in Verbindung gebracht. Das kann man machen, muss man aber nicht. Ich halte den Song eher für eine Dannwerdeichdirmalganzgenauerklärenwenduhiervordirhast-Rede.
Es gibt Think in vielen Versionen von Aretha selbst. Die herzhafteste jedoch findet sich im Film The Blues Brothers von 1980. Der war weltweit ausgesprochen erfolgreich, und das ist aufgrund des Konzepts kein Wunder: Zwei mäßig begabte, weiße Musiker und Schauspieler stellen dar, was sie sich vom Styling über die Choreografien bis zum Repertoire von schwarzen Künstlern als „Inspiration“ sichern konnten.
Jene Musiker, die den Sound und das Personal zu diesem Film liefern, also, zum Beispiel, James Brown, Cab Calloway, Ray Charles oder auch John Lee Hooker und Aretha Franklin, werden in ganz mageren Nebenrollen abgefertigt. Das Drehbuch ist dürftiger als ein an den Haaren herbeigezogenes Alibi, die Schnitte sind gewagt wie gedankenverlangsamender Drogenkonsum.
Aretha gibt die resolute kellnernde Kittelträgerin aus der Küche, die dem Gatten so richtig die Leviten liest. In Fettfleckklamotte. Souveränität fürchtet keine Makel. Sie hat andere Feinde.
Glücklich 7
Oh Happy Day vom Live-Album One Lord, One Faith, One Baptism, Arista, 1987, Text und Musik: Traditional, Arrangement: Edwin Hawkins
Es gibt nur wenige Sängerinnen, die es betreffs Stimme und Präsenz mit Aretha Franklin aufnehmen können. Eine Namensliste zu diesem Thema erspare ich Ihnen gnädigst, da sie die Länge des Äquators hätte. Ich beschränke mich auf die beispielhafte Erwähnung des Konzertes VH1 Divas Live aus dem Jahr 1989.
Mariah Carey war leichtsinnig genug, sich für ein Duett mit Miss Franklin anzumelden und scheiterte schon am Stimmumfang kläglich. Und dabei ist ihr eigener wahrlich nicht gerade unscheinbar.
Anlässlich des großen Gospelfinales dieser Show wirkten Stars wie Gloria Estefan, Celine Dion, Shania Twain und Carole King wie leere, zerknüllte Papierblätter. Das war erhellend und ein wenig peinlich.
Leider war man nicht klug genug gewesen, Mavis Staples einzuladen, eine Künstlerin der gleichen Generation wie Aretha Franklin, eine ebenfalls aus dem Gospelbereich kommende Bürgerrechtlerin und Wegbegleiterin.
Mavis Staples war, und ist heute immer noch, eine absolut zeitlose Sängerin, die jedem Stil gewachsen ist und deren Stimmsamples ausgesprochen gern genommen werden, wenn man etwas Kuules in seinem Song haben möchte. Sie mag Kollaborationen, siehe Prince, und Duette, siehe Aretha Franklin auf diesem Live-Album.
Die beiden geben Oh Happy Day, einen Song, der 1969 in einer anderen Fassung sogar einmal Nummer Eins der deutschen Charts war.
Was wir allerdings hier bekommen, ist ein anderes Kaliber. Zwei konkurrenzlos synchron vibrierende Sängerinnen, die ihre Töne aus Chakren holen, deren Namen wir nicht einmal kennen. Du lieber Gott!
Es ist alles gesagt.
Bis nächste Woche.
© Ruth Rockenschaub
Freundlichst unterstützt durch www.studiofunk.de
Wer nicht lesen will, muss hören!
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Diese Liste sollte noch um zwei Titel von Aretha erweitert werden: "Prayer" und "Angel". Die gehören zum Glück unbedingt dazu. Alles Liebe Rolf