Ich lebe in einem christlich und muslimisch geprägten Land. Sie vermutlich auch. Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, wie oft wir Buddha im Alltag begegnen?
An dieser Stelle möchte ich mich gar nicht darüber unterhalten, ob Buddha, wie Jesus und Mohammed, Prophet war, und ob es sich beim Buddhismus um eine Religion oder eine Philosophie handelt, denn die Fundamentalisten treten mal eben kurz zur Seite. Danke.
Fakt ist, dass Buddha an den spektakulärsten Standorten zu finden ist. Oder haben Sie schon mal einen Salon zur Entfernung von Körperhaaren, ein Massagestudio oder ein Bordell ohne lächelnde Buddhaskulptur gesehen? Sie ist im Normalfall aus goldenem Plastik oder betonfarbenem Kunststein.
Wir gehören offenbar zu einem Menschenschlag, der wahrlich auf jedes nachsichtige Lächeln angewiesen zu sein scheint.
Buddha steht, liegt und sitzt in rustikalen Gartenzentren, er hält Räucherstäbchen bei Wahrsagerinnen, und manchmal kann man auch nur seinen Kopf bestellen. Oft als Restposten. Fragt sich, wer die enthaupteten Körper kauft. Vielleicht gehen die nach China.
Buddha ist, darüber hinaus, Namensgeber für Kinderyoga, möblierte Apartmentvermietungen, Essenslieferdienste und alkoholische Cocktails in Dosen.
Da kommt Jesus nicht mit. Jesus gibt es noch nicht mal als Bed & Breakfast in Frankreich. Buddha schon. Als Keanu Reeves, den viele vielleicht als Neo aus MATRIX kennen, den historischen Buddha im Film LITTLE BUDDHA spielte, sah er aus wie seine eigene Schwester mit schlechter D.D.R.-Dauerwelle. Das muss man, auch als weltbekannter Erleuchteter, erst einmal verkraften.
Die Muslime und ihre religiös begründete Bilderlosigkeit lassen wir an dieser Stelle einmal unberücksichtigt. Diese Glaubensgemeinschaft hat sich dafür entschieden, Gott und seinen Propheten Mohammed nicht in Bildern darzustellen. Deshalb die vielerorts angebrachten, ausdrucksstarken Kaligrafien. Ich habe absolut nicht vor, diese Entscheidung zu kritisieren, da ich sie für über alle Maßen weise erachte. Es würde mir außerdem widerstreben, sie gar für Zwecke zu nutzen, die respektlos sind. Oh, nein.
Damit hat sich Karl Lagerfeld schon einmal sehr unbeliebt gemacht, als er ein Kleid entwarf, das mit Koranversen bestickt war. Dies geschah entweder aus Dummheit oder der mit ihr verwandten Rücksichtslosigkeit. In jedem Falle waren die Muslime der Welt nicht wirklich amüsiert, und Karl musste die verbliebene Restintelligenz hervorholen und die Klamotten vernichten lassen.
Bei den Buddhisten ist das alles etwas unkomplizierter. Obwohl ich durchaus seit Jahrhunderten überlege, warum sich die tibetischen Mönche ausgerechnet für ein Habit entschieden haben, das nur eine Schulter bedeckt, während die andere permanent frieren muss. Sie haben die Bilder seiner Heiligkeit des Dalai Lama vor sich: Links jede Menge Stoff und eine Rolex, rechts nur nackte Haut. Aber ich schweife ab.
Besonders interessant an Buddhadarstellungen ist die Tatsache, dass es den Vollkommenen in vielen optischen Varianten gibt: Er ist schlank, asketisch und lächelt milde oder aber er lacht herzlich und verfügt über einen dicken, kugelrunden Bauch.
Ich bin lange Zeit davon ausgegangen, bei letzterer Abbildung handele es sich um eine Karikatur. So, als würde man sich Jesus in dick vorstellen. Zum Spaß. Möglicherweise an einem Kreuz in einem Pädophilenpuff in Bangkok. Aber vermutlich würde da sofort ein deutscher Kardinal einschreiten, der zufällig vor Ort ist. Und der wüsste dann ganz genau, dass der Herr, der die Sünden der Welt hinwegnimmt, schlank und blauäugig zu sein hat, wie bisher in jeder Art von europäisierter Veranschaulichung.
Mein Aha-Erlebnis bezüglich Buddhas Body Mass Index hatte ich, passenderweise, in einem Restaurant. Es war ein japanisches, wo Tier und Gemüse ihr Leben unter den vortrefflich geschärften Klingen martialischer Kochkrieger aushauchen.
Dort wurde Alkohol in hohlen Keramikbuddhas serviert, in die mindestens ein halber Liter Getränk passte. Es handelte sich also nicht um die asketische Variante. Der Bauch des Ozeans der Weisheit verfügte über ein Loch in Nabelgegend. Aus diesem trank man mit Strohhalm, was dann, aufgrund des rasch ansteigenden Pegels, kultiviertere Unterhaltungen recht schnell verunmöglichte. Ich konnte mir gerade noch vom Personal erklären lassen, der dickbäuchige Buddha sei ein sehr verehrtes Symbol für Reichtum und Glück, zumal so gewichtige Gestalten derart viel Geld angesammelt haben, dass sie nicht mehr arbeiten müssen.
Das machte Sinn und bereits am übernächsten Tag war ich geistig wieder in der Lage, einen Plan zu fassen.
Erstens musste schnellstmöglich mehr Gewicht her. Viel mehr. Das ging mit links. Und es passierte ausgesprochen schnell. Ich hab‘ da so meine Methoden. Nicht lange, und die T-Shirts spannten in der richtigen Körpergegend. DHL-Fahrer ächzten unter den Neubestellungen in optimierten Konfektionsgrößen. Plauze und schallendes Lachen waren geboren. Ernährungsumstellungen machen bei sichtbaren Erfolgen extrem viel Spaß.
Zweitens habe ich die Mitgliedschaft im Fitnessstudio meines Vertrauens um zehn Jahre verlängert. Freiwillig und aus taktischen Gründen. Es erschließt sich Ihnen, dass ich den Geräteraum meiden muss: Beinpressen, Laufbänder und Langhanteln würden meine stattlichen Erfolge in kürzester Zeit total ruinieren.
Es gilt, sich vorne an der Rezeption aufzuhalten. Auf den gemütlichen Ledersofas. Ich habe dann immer ein riesiges Handtuch dabei, um mir den nicht vorhandenen Schweiß effektvoll abzutupfen.
Ich und mein hochkalorischer Eiweißdrink loungen dann behäbig in figurbetonter Haltung und warten gemeinsam auf die Neuen. Sie kommen, um sich zum Sport anzumelden. Ihre Gesichter glühen vorfreudig und hoffnungsvoll auf das Kommende. Sie sind jung. Sie sind schön. Sie sind schlank und sehr schlank, und sie kommen, um noch jünger, noch schöner und noch viel schlanker zu werden. Unschuldige Lämmer mit drei Streifen an den Beinen und Haken an den Schuhen.
Sobald sie ihren Vertrag unterschrieben haben, nicht vorher, nehme ich Kontakt auf. Schwer atmend, das habe ich mal gelernt, und inzwischen mit überdimensionalem Volumen ausgestattet, wuchte ich mich aus der Couch, nähere mich und sage: Hi, wie toll, dass du auch da bist. Das ist ein super Laden, wirklich. Hier kann man echt was erreichen. Ich trainiere erst seit einem halben Jahr, und am Anfang habe ich noch genau so ausgesehen wie du. Viel Spaaaaaß! Vielleicht bis später!
© Ruth Rockenschaub
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