Sind auch Sie der Meinung, dass das Zusammenleben der Menschen durch ausländische Mächte monumental gestört und so mancher Ureinwohner in den Wahnsinn getrieben wird? Zumindest, wenn er mich und meine überlebenswichtige Tätigkeit bei irgendwasmitrockenschaub.de nicht kennt. Und schon sind wir bei unserer heutigen Katastrophe.
Ratlos an Rockenschaub fragt:
Kann ich so weiterleben?
Ich bin seit vierzig Jahren glücklich mit meiner Frau verheiratet. Eigentlich.
Seit wir allerdings neulich NETFLIX® abonniert haben, ist meine Gattin großer Fan einer Serie über Aufräumen und Ausmisten. Den Namen weiß ich nicht, da mir meine kostbare Lebenszeit für so etwas zu schade ist. Mittlerweile folgt meine Frau den Prinzipien dieser Reihe und wirft, ohne zu fragen, hemmungslos Dinge weg.
Seit gestern ist mein fuchsiafarbenes Lieblingspolohemd verschwunden. Als ich meine Frau zur Rede stellte, meinte sie, ich wäre für die Farbe ohnehin zu alt und das Stück habe unnötig Platz weggenommen.
Kann ich so weiterleben?
Rockenschaub an Ratlos antwortet:
Liebes Fuchsiapolohemd,
immer langsam, Sie missmutiger, wehleidiger Sack!
Lassen Sie mich zunächst erläutern, worum es eigentlich geht: Ihre Frau ist endlich der Heilsbringerin aller haltlosen Unordnungsfanatiker begegnet. Diese Spinner gehören zu einer besorgniserregend schnell wachsenden Sekte pathologischer Schlamper und Schlamperinnen, die ohne Chaos in den eigenen vier Wänden gar nicht existieren können.
Die Prophetin der erlösenden Botschaft des radikalen Aussortierens heißt Marie Kondo, ist dreißig Zentimeter groß und so schwer wie ein Fusselrasierer.
Ihre Stimme gleicht dem Flügelschlag eines Marienkäfers ohne Punkte, und auch im amerikanischen Fernsehen spricht die Dame ausschließlich Japanisch.
Wie Sie sicherlich wissen, ist die erfolgreiche Sängerin Helene Fischer die Rache Sibiriens an Deutschland. Marie Kondo ist die Rache Japans an den U.S.A. Sie erinnern sich: August 1945, amerikanische Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.
Mithin bedurfte es seit langem eines kapitalen strategischen Gegenschlags.
Man hatte in Japan extra Mahlzeiten erfunden, die aus lebenden Fischen bestehen. Die atmen noch, wenn man sie schon im Mund hat. Das war international nicht ausreichend. Frau Kondo schon. Ihre Gefolgschaft geht in die Millionen, und längst gehören auch zahlreiche Deutsche dazu.
Sie knien auf ihren Fußböden und streicheln sie selbstvergessen. Sie umarmen Vasen und schluchzen in nostalgische Pullover. Sie entfernen containerweise Besitztümer und lächeln dabei beseelt. Sie folgen den Botschaften und dem Tun der Elfe der Entsorgung wie die Lemminge.
Lemminge leben in der Arktis. Und manchmal springen sie in Massen von Klippen. Dass es sich dabei um kollektiven Selbstmord handeln soll, ist mittlerweile wissenschaftlich widerlegt. Warum auch sollten sich die Tiere umbringen wollen? Die Arktis ist ja schon total aufgeräumt.
Die Lemminge springen, weil sie, schlicht und ergreifend, zu dämlich sind, es nicht zu tun. Lemminge sind verwandt mit Hamstern. Und mit Hamstern schließt sich der Kreis zur japanischen Ordnungsmacht Kondo.
Diese Frau ist ein Geschenk des Himmels!
Alles, was in Ihrem Leben, liebes Fuchsiapolohemd, keinen Funken der Freude erzeugt, sagt sie, muss weg. Alles! Und nur positive Emotionen sind Funken der Freude.
Wenn etwas dieses Gefühl auslöst, macht man ein Funkenderfreudegeräusch. Das klingt ungefähr wie dsching! Dazu stellt sich Ihr Körper auf nur ein Bein, das andere heben Sie im rechten Winkel steil nach hinten oben, und Ihr Zeigefinger weist zeitgleich in Richtung Himmel, während Sie insgesamt einen kleinen Hüpfer performen.
Wenn sich das bei Ihnen motorisch nicht automatisch einstellt, ist kein Funken der Freude im Spiel.
Trauer ist kein Funken der Freude. Deshalb macht man auch kein Funkenderfreudegeräusch dabei. Die goldene Taschenuhr von Opa, derentwegen man immer heulen muss, kann also endlich in den Müll!
Was weg soll, muss vor dem Abschied berührt werden, und bekommt ein Dankeschön mit auf den letzten Weg bevor es das Haus zu verlassen hat. Vergessen Sie also nicht, sich bei Ihrem Hund mit einem Extrastreichler erkenntlich zu zeigen, bevor Sie ihn an der Autobahn aussetzen.
Kein Mensch sollte, laut Marie Kondo, mehr als dreißig Bücher besitzen. Das hat sie einmal gesagt und dann wieder dementiert, aber doch gemeint.
Wenn man die zwölf Bestseller subtrahiert, die die Göttin der Genauigkeit selbst verfasst hat, bleiben also üppige achtzehn nach eigenem Geschmack. Das nenne ich die totale geistige Freiheit! Gottlob verlangt Marie an keiner Stelle, dass wir die Dinger auch lesen müssen.
Sollten Sie Enkel haben, sind Sie natürlich dankbar dafür, Kondos erstes Kinderbuch kaufen zu dürfen. Die schlaue Eule sagt dem, aus genetischen Gründen, sammelnden Eichhörnchen, dass es zu viel, na, was wohl? Richtig! Sammelt! Und wenn das Eichhörnchen den Ball zum Spielen in seinem Saustall nicht gleich findet, fliegt die Eule beleidigt nach Hause. Da weiß man als Kind gleich, wo der Hammer hängt. Wer nicht aufräumt, hat keine Freunde und kann nicht erwachsen werden. Mariekondoerwachsen.
Falls dieses Buch bei Ihnen keinen Funken der Freude auslösen sollte, tapsen Sie mit dem Finger darauf. Dann, sagt Marie Kondo, ist das Buch geweckt, und es geht bei vollem Bewusstsein ins Altpapier. Diese Frau weiß einfach, wie man sein Leben mit voller Wucht ausschließlich auf Gegenstände konzentriert.
Haben Sie eigentlich einmal den Schreibtisch von Karl Lagerfeld gesehen? Der war so ausladend wie ein durchschnittlicher Flughafenterminal und etwa anderthalb Meter hoch mit Zeichnungen, Journalen und Büchern bedeckt. Ungeordnet, chaotisch, anarchisch.
Von Lagerfeld sah man gerade noch den Kopf, seine Katze Choupette residierte auf der höchsten Stelle des Monuments. Ihr Funken der Freude war natürlich nur aufgesetzt. Das kennt man ja von Katzen.
Wer sich selbst so zumüllt, dessen Geist kann beim besten Willen nichts mehr zustande bringen. Ohne Ordnung keine Kreativität. Kein Wunder also, dass Lagerfeld diese Welt nur komplett verarmt verlassen und nie weitere Bedeutung erlangen konnte.
Betreffs Ihrer Gattin, liebes Fuchsiapolohemd, steht zu vermuten, dass sie längst diesen Online-Entrümpelungskurs bei Marie gebucht hat. Kontrollieren Sie mal, ob in letzter Zeit 2.250 $ vom Konto abgegangen sind.
Im Übrigen sollten Sie Ihrer Frau nicht weiter heimtückisch in den Rücken fallen, sondern lieber dankbar sein. Warum? Weil es bald eine atemberaubende Überraschung geben wird, an der auch Sie sich umfangreich ergötzen werden!
Hat Ihr Domizil die Radikaldiät nämlich erst überstanden, folgt der genialste Coup der fernöstlichen Domina der Dinge: In ihrer grenzenlosen Güte und Weisheit hat Marie Kondo einen Onlineshop kreiert, in dem sie genau das verkauft, was bei Ihnen gerade in den Müllcontainer gegangen ist.
Bitte wählen Sie aus hunderten von Produkten, die Sie unbedingt neu haben müssen: Sie vermissen die ehemals heimelige Atmosphäre zu Hause? Bestellen Sie den Bergkristall mit Stimmgabel zum Reinigen der Atmosphäre. Und auf jeden Fall den Zengarten für den Schreibtisch, falls der überhaupt noch da ist. Oder die Antimückenweihrauchspirale und den Schwammhalter. Sollte es noch etwas zu reinigen geben, den Staubwedel aus Straußenfedern und die Mottenkugeln aus Zedernholz. Es gibt Nagelfeilen, Werkzeugöl und Lippenbalsam, japanische Gemüsesamen, Duftpapier und Tischkomposteimer, Lavendelaugenkissen, Gemüsefermentiergläser mit Steindeckel, Schnitzsets für Holzlöffel, Reparatursets für kaputtes Porzellan und Weihnachtsbaumanhänger in Sushi- und Sojasaucenflaschenform. Wir finden Motivationskartensets für mehr Liebe, bessere Konversation und Meditation. Auf den Müllbeuteln steht etwas von Dankbarkeit und mit dem elektrischen Wecker kann man gemeinsam Atemübungen machen.
Als Letztes seien die Aufbewahrungskartons genannt, in die man später alles tut, dessen Funken der Freude verreckt ist. Recycling kann noch nie sinnvoller gewesen sein.
Alle Artikel sind von ausgesuchter Schönheit und kommen in den geschmackvollen Kondofarben für eine aufgeräumte Existenz: Beige, Sand, Graphit, Rosé, Wolken- und Basaltgrauhellschlammecru.
Nur der Silikonkopfmassierer, liebes Fuchiapolohemd, ist fuchsiafarben. Für den gibt es im Moment eine Warteliste. Zu beliebt.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass Marie Kondo die Zarin des Zusammenfaltens ist? Was durch ihre Hände geht, und mag es ein Bettlaken von den Ausmaßen Luxemburgs sein, hat hinterher nur noch die Größe eines Handtellers. Origamiorgasmen am laufenden Meter. Ununterbrochen!
Das können Sie übrigens auch, liebes Fuchsiapolohemd. Vergessen Sie das Antippen nicht, bedanken und verabschieden Sie sich. Dann bringen Sie Ihre Frau in die stabile Seitenlage, die Sie aus dem Erste-Hilfe-Kurs kennen, falten ihre Beine platzsparend auf Pappboxgröße und schreiten zur Verpackung. Legen Sie ein paar homöopathische Fuchsia-Globuli hinzu. Die helfen, wenn man sich aufregt und die Schilddrüse flattert. Und dann: Sondermüll und dsching!
© Ruth Rockenschaub
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