Ich bin viel zu gern unordentlich, um mich ständig mit analen Themen zu befassen.
Dass man den Begriff anal nicht nur mit einer Variante von Geschlechtsverkehr oder einer kindlichen Entwicklungsphase verbindet, habe ich vor Jahren in den U.S.A. gelernt:
Sprach der genervte Teenager aus Kaugummi kauendem, prallem Marzipanmund: „I fucking hate my Mom, you know. She’s so bloody anal!!!“
Die Fremde, also ich, hob konsterniert eine Augenbraue und wähnte sich der bildhaften Beschreibung gewisser Paarungsrituale ausgesetzt, über die sie nicht das Geringste zu erfahren trachtete. Schon gar nicht im Zusammenhang mit Mom und bloody.
Mittlerweile weiß ich natürlich, dass Personen, die mit dem Begriff anal charakterisiert werden, besessen ordentlich, fanatisch reinlich und ausgesprochen zwanghaft sind.
Dergestalt erleuchtet, habe ich diese Vokabel damals auch hierzulande sofort und ständig in seriöse Konversationen integriert, und prompt durfte ich beobachten, wie verheerend sich dies in den Gesichtern meiner Gegenüber niederschlug.
Das war, und bleibt, ausgesprochen unterhaltsam, zumal es dann stets an mir ist, Verwirrung und Verlegenheit mit Hilfe eines gewissen Bildungsvorsprungs zu beheben.
Man muss als Frau von Welt stets selbst für ein anschauliches Maß an Souveränität sorgen. Sonst macht es am Ende keiner.
Dessen eingedenk, wurde ich kürzlich mit einer thematisch ähnlichen, wenngleich ästhetisch noch fragwürdigeren Analität konfrontiert und erstarrte nicht nur innerlich:
Wie uns seit Jahren schmerzhaft bewusst ist, kann man in unserer Gegend problemfrei und legal Toilettenpapier kaufen, das den Namen HAPPY END trägt. Diese Kombination von Produkt und Name ist mindestens unfreiwillig komisch oder aber, mit viel Glück, Realsatire. In jedem Fall jedoch beruft sie sich auf eine zentrale deutsche Sehnsucht.
Die Amerikaner geben sich aufgrund des Gesamtzustands ihres Landes bei diesem Thema erwartungsgemäß tief religiös. Ihre Papiere heißen WEISSE WOLKE, SANFTER ENGEL oder HIMMLISCHE WAHL. White Cloud, Angel Soft und Heavenly Choice. Jeder Gang eine Absolution.
Zurück zu meiner folgenschweren Begegnung an einem hiesigen Supermarktregal. Das Corpus Delicti: Endlose Rollen geprägter und perforierter Mehrlagigkeit in Weiß, bedruckt mit zarten…. Schmetterlingen in Hellblau. Blatt für Blatt für Blatt immer die selbe, durchschnittliche, teutonische Flügelfamilie: Zwei Schmetterlingserwachsene, drei Schmetterlingskinder, ahnungslos vor sich hin gaukelnd. Auf Klopapier.
Wer, bitte, denkt sich so etwas aus? Wer überlegt allen Ernstes, welche Spezies sich bestenfalls auf dieser Sorte Alltagsprodukt machen würde und ruft dann erlöst: „Irgendwas vom Aussterben Bedrohtes wäre doch super, oder? Ah!---Schmetterlinge! Geil!“
Und was, um Himmels Willen, möchte man uns mit Schmetterlingen auf Klopapier sagen? Dass Schmetterlinge beschissen sind?
Ich bin ratlos und frage mich, darüber hinaus, das Folgende:
Wer in diesem fucking endlosen bloody Fluggeschwader in Hellblau ist denn nun eigentlich die anale Mutter?
© Ruth Rockenschaub
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